SLEEPING SCREENS – Ausstellung bis Ende August 2020

Grüße auf Stecktafeln im Kino Traumstern zu sehen

Die Ausstellung zeigt „Sleeping Screens“ kreative Einfälle an geschlossenen Kinos. Traumstern mit Spruch aus „Toni Erdmann“ auch dabei.

Von Heiner Schultz
Versprochen und gehalten: Etliche Kinos nutzten die Stecktafeln für Grüße. Fotos davon sind nun in Lich zu sehen.  Repro: Schultz

Versprochen und gehalten: Etliche Kinos nutzten die Stecktafeln für Grüße. Fotos davon sind nun in Lich zu sehen. Repro: Schultz

LICH. Auch die Betreiber des Bundesplatzkinos in Berlin traf die Krise ins Herz, und sie mussten zunächst schließen. Um die Lage kreativ zu verarbeiteten, begannen sie damit, geschlossene Kinos in der Hauptstadt von außen zu fotografieren und die Bilder zu einer Ausstellung zusammenzustellen. Jetzt sind die „Sleeping Screens“ in der Kinokneipe Statt Gießen angekommen. Das Interesse des Publikums bei der Eröffnung war groß, als die Ausstellungsmacher Martin Erlenmaier und Simon Dickel von der Entstehung der Schau berichteten.
Künstlerisch firmieren sie unter „Gruppe Karin Dor“. Doch sie haben nicht nur die geschlossenen Lichtspielhäuser in Berlin mit den jeweiligen Botschaften auf den Anzeigentafeln fotografiert, sondern auch weltweit dazu eingeladen, ihnen solche Aufnahmen zu schicken. Das Besondere waren dabei die so genannten Stecktafeln. Darauf sind sonst in großen Lettern die Filmtitel und weitere Informationen auf den ersten Blick zu sehen.
Mehr als 60 Kinos sind mittlerweile auf der Webseite „Sleeping Screens“ in tadelloser Qualität vertreten. Eine Auswahl ist in der Ausstellung zu sehen, die ermöglicht und organisiert wurde von Anika Wagner, die den Abend auch morderierte. Die Bilder stammen von überall aus der Welt: etwa aus Wien, London, Amsterdam, Bern, Los Angeles, New York. Die Botschaften ähneln einander – die Kinomacher haben überall die gleichen Schwierigkeiten.
„Wir wussten ja nach dem Anfang des Lockdowns zunächst gar nicht, wie lange das geht“, erzählte Rainer Erlenmaier, Co-Betreiber des Berliner Bundesplatzkinos, der gemeinsam mit Simon Dickel die Ideen umsetzte und die Fotos erstellte. „Wir sind dann die Berliner Kinos abgefahren, um erstmal ein Bild der Lage zu bekommen“, schilderte er. „Berlin war zu der Zeit wirklich eine tote Stadt“, ergänzte Dickel. „Plötzlich ist niemand mehr auf die Straße gegangen“. Die beiden nahmen sich vor, zu fotografierten, was sie sahen, und baten Freunde und Bekannte, ihnen weitere Bilder der Tafeln geschlossener Kinos zu schicken, „Das geschah jeweils durch einen persönlichen Kontakt.“ Erlenmaier fügte hinzu: „Da entstand ja auch eine Art Leinwand. Das Traumstern war übrigens das erste Kino, das uns ein Foto seiner Tafel geschickt hat. Die waren uns schon ein Begriff als Programmkino der Oberklasse, da kommen wir nicht ganz ran“, lobte er die Arbeit der Licher Cinemaaktivisten. „Euer Kino ist wirklich ganz großartig“. Das Bild zeigt den Satz „Don’t lose the humour“, ein Zitat aus dem Film „Toni Erdmann“.
Schwierig war dann auch die Wiedereröffnung am 1. Juli mit begrenzter Platzzahl wegen der Hygienebeschränkungen. „24, wenn’s top läuft, es können aber auch nur 13 reinpassen. Man muss jetzt einfach mehr machen“, sagte Erlenmaier. „Wir haben für unsere Aktion ganz viel Zuwendung erhalten,“ ergänzte Dickel. Nach dem Gespräch vor und mit dem Publikum im lauschigen Gartenlokal neben dem Kino trat das Licher Duo „The Naturehood“ auf (Motto: „Unconditional music to love yourself!“). Jonas Noll (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Maren Fischer (Gesang) legten einen Set aus zumeist selbst geschriebenen Songs vor und zeigten jede Menge Energie.
Und wie kamen sie eigentlich darauf, der Gruppe den Namen „Karin Dor“ zu geben? Die deutsche Schauspielerin (1938-2017) war einst im deutschen Unterhaltungsfilm, wie Karl-May-Verfilmungen und zahllosen anderen Produktionen, sowie im Fernsehen überaus populär. „Ach, das kam zufällig durch eine Postkarte, auf der sie abgebildet war“, erklärte Erlenmaier. „Die fiel uns in die Hände, und da kam dann der Name.“ Zur aktuellen Wiedereröffnung legte man im Berliner Bundesplatzkino eine Reihe mit Klassikern auf, „die jetzt etwa bei Universal und Studiocanal gegen eine geringe Mindestgarantie zu erhalten sind“ – digitalisiert und in deutscher Fassung. „Das wollten wir schon immer machen, es war aber bisher kaum zu bezahlen“, seufzte er. Auch ihre Ausstellung hätten die Licher Kinomacher als erste in Deutschland eingeladen, sagte er, „Es sind noch weitere Interessanten für die ungewöhnliche Schau aufgetaucht.
Die auf den Anzeigetafeln präsentierten Texte sind einerseits ein kleiner Rundblick über die Welt des Kinos, man sieht viele geradezu traumhaft nostalgische Fassaden – es gibt also durchaus noch traditionelle Lichtspielhäuser neben den Abspielkolossen. Zum anderen drücken sie auch den Durchhaltewillen, die konstruktive Einstellung und den unverwüstlichen Humor der Kinoleute aus, was man auch an vielen der Inhalte sieht. Beispiel Tafeltext Cine Club Bern: „Sind kurz weg, Klopapier holen.“ Und am Bundesplatz Studio Berlin stand: „Erst renovieren, dann projizieren“. Die Bilder können für 30 Euro pro Stück erworben werden, darin sind 10 Euro Solidaritätsbeitrag fürs Kino Traumstern enthalten.