Von Heiner Schultz
LICH. Die bedrohliche Lage hat sich nicht gravierend verändert, wie Hans Gsänger vom Licher Traumstern-Kino berichtet. Dennoch gibt es in diesen düsteren Corona-Zeiten auch einige Lichtblicke: Die Wiesbadener Landesregierung hat gerade eine Soforthilfe von 500 000 Euro zusätzlich für die hessischen Kinos bereitgestellt, von der auch die Licher profitieren. Zudem gibt es auch kulturell interessante Dinge zu vermelden.
„Im Traumstern hat wie in allen Kinos in Hessen seit dem 18. März keine Veranstaltung mehr stattgefunden, also weder auf der Leinwand noch auf der Bühne“, berichtet Gsänger, der zusammen mit Edgar Langer seit vielen Jahren das Haus an der Gießener Straße betreibt. Im Landkreis von der Regelung betroffen sind ebenso das Grünberger Kino sowie das Kinocenter und das Kinopolis in Gießen. „Das ist natürlich ökonomisch und kreativ gesehen katastrophal. Daran werden wir zunächst nichts ändern können. Wir versuchen aber jetzt, uns darauf vorzubereiten, dass wir vielleicht irgendwann in den nächsten Wochen unter Auflagen den Betrieb aufnehmen können“, erzählt Gsänger weiter.
Hilfen vom Land
Was dem Haus in dieser existenzbedrohlichen Lage sehr geholfen habe, sei die Soforthilfe des Bundes gewesen. Das Traumstern hat sie in Anspruch genommen und auch den Höchstbetrag von 10 000 Euro inzwischen erhalten. Doch auch wenn man alle Kosten möglichst herunterfahre, blieben immer noch welche übrig: ausstehende Filmmieten, Pacht fürs Gebäude, Abonnements und Versicherungen, zählt Gsänger auf. „Wir hatten dann allerdings eine sehr starke Reaktion auf unsere Zehnerkartenaktion.“ Da habe es viele solidarische und aufmunternde Mails, Nachrichten und Telefonate vom Publikum gegeben, das dieses Kulturzentrum gerne erhalten haben wolle und die prekäre Situation sofort erkannt habe. So habe das Kino viele Zehnerkarten verkaufen können und sei damit gleichzeitig im Gespräch mit den Besuchern geblieben. Das habe dazu beigetragen, „dass wir diese ungewisse Zeit ökonomisch einigermaßen unbeschadet überstehen können“.
Doch wie sieht die Zukunft aus? „Wir wissen nicht, wann und in welcher Form wir den Kinobetrieb wieder aufnehmen können, das wird sicherlich nicht problemlos laufen“, sagt Hans Gsänger, der Auflagen und Beschränkungen der Besucherzahlen, wie bei anderen Gewerbetreibenden, auch für die Leinwandhäuser prognostiziert. Als ermunternd empfindet er dabei ein Projekt mit kleinen Musikclips, die sich jetzt bei Facebook und auf YouTube anschauen lassen. Es sind Stücke, die auf der Traumstern-Bühne produziert wurden „von Sachen, die eigentlich hier hätten stattfinden sollen“. Dazu beigetragen hat etwa der Licher Keyboarder Helmut Fischer, der das Projekt „Fillmore Brothers“ initiiert hat. Ebenso dabei sind die Gießener Singer-Songwriterin Tess Wiley mit Lapsteel-Spieler Tim Potzas, Bassist Peter Herrmann sowie Markus Wach, der mit „Mala Isbuschka“ die neue CD des Ensembles in Lich vorstellen wollte – bis Corona alle Konzertpläne über den Haufen warf. Angefragt sind zudem Rene Rösler, Harfenistin Cordula Poos und die Perkussionisten Markus Reich, Herbert Elischer („Bloco Baiano“) und Sandra Elischer („Froschhund Band“). Bereits gekaufte Karten behalten auch für die Folgetermine ihre Gültigkeit, können aber auch zurückgegeben oder für andere Konzertveranstaltungen verwendet werden, teilen die Kinomacher mit.
HINTERGRUND
. Im Internet lassen sich die Musikvideos über die Kinoseite (http://kino-traumstern.de/) ebenso finde, wie unter dem Stichwort „Traumstern“ bei Facebook oder gleich bei YouTube, wenn man nach „Quarantine Session Nº1“ sucht. (Aufnahmen in HD). Unterstützen lässt sich das Traumstern auch weiterhin durch den Kauf von Zehnerkarten, dabei handelt es sich um Gutscheine für Theater- oder Konzertveranstaltungen. Für einen Betrag von 500 Euro lässt sich zudem ein Gesellschafteranteil an der Genossenschaft e. G. erwerben. Entsprechende Adressen finden sich auf der Webseite des Licher Kinos. (hsch)
Was die Soforthilfe des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst angeht, sind die Traumstern-Betreiber in Gesprächen mit der Hessenfilm GmbH, die für die Filmförderung zuständig ist. „Das sind so die Aktivitäten, mit denen wir uns momentan beschäftigen,“ berichtet Gsänger. „Ansonsten versuchen wir, die Kommunikation aufrechtzuhalten. Wir werden dann sehen, wie’s weitergeht.“
Während des Gesprächs sind auf der Bühne des Kinos Kamerafrau Anika Wagner und Techniker Tobias Eckhardt dabei, den Auftritt von Musiker und Produzent Peter Herrmann aufzuzeichnen. Der Bassist steht ausgeleuchtet im Rampenlicht und improvisiert konzentriert auf seinem Fender Jazz Bass. Das geht dem diesmal allein lauschenden Zuhörer sofort in die Beine, es ist ein Solokonzert in einer besonderen Atmosphäre.
In einer kurzen Pause erklärt das Trio, woran es da gerade arbeitet. Der Auftritt wird, zusammengeschnitten auf etwa drei Minuten Länge, auf Youtube, Facebook und Twitter gleichermaßen zu sehen sein. Die Aufnahme erfolge fast so, als liefe eine Session im Tonstudio. Der in Lollar lebende Herrmann ist nach der Unterbrechung sofort wieder in die Musik vertieft. Es handelt sich dabei um eine neue Folge der „Quarantine Sessions“ des Kinos, die seit dem Auftakt mit Keyboarder Helmut Fischer auf großes Interesse stieß. „Sein Video wurde in den ersten zwei Tagen häufig angeklickt und ebenso wie die anderen oft geteilt“, freut sich Hans Gsänger über die Resonanz. Für das Licher Kino und zahlreiche Künstler der Region erschließen sich damit wie so oft in diesen Tagen neue Möglichkeiten der Präsentation im Videoformat im Internet.